30. WESER TIDEN RALLYE mit Vorfahrt
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Nach einen Tag war die Regeneration meines Körpers weitestgehend abgeschlossen. Nicht nur mehr als 5 Stunden im Boot sitzen, sondern der Wind 6-7 bft, die Wellen und das neue Kajak waren eine Herausforderung. Ich hatte schon vorher einige Fahrten auf stehenden Gewässern (Alster, Bille, Knockster Tief) gemacht. Bootsbeherrschung bei Welle ist etwas anderes. Mit dem Norse Bylgja hatte ich schon ähnliche Fahrten bei Welle und viel Wind gemacht. Dieses Seekajak (P&H Valkyrie) sollte sich voll beladen ganz anders verhalten. Mehr dazu in einem Blog speziell zu diesem Kajak.
Harriersand vor dem Zeltplatz
Christian hatte die Idee uns zur Weser Tiden Rallye anzumelden. Punkt 8:00 Uhr am Mittwoch Morgen (ein Tag vor Himmelfahrt) fuhren wir von der Billerhuder Insel in Hamburgs Osten los. Sein Holzkajak hatten wir kurz zuvor aus dem Bootshaus des Biller Wassersport Schwalbe geholt. Um 11:30 Uhr sollten wir, mit Campingausrüstung, Lebensmitteln und Wechselsachen im Boot sitzen. Eine Stunde vorher hat Wilfried (Fahrtenleiter Kajakverein Bremen für die Vorfahrt) die Gruppe von 9 Mitpaddlern eingewiesen. Die erste Etappe ging von TURA (Turn und Rasensportverein Bremen) nach Harriersand. Diese Weserinsel ist mit etwa elf Kilometern Länge bei einer Fläche von rund sechs Quadratkilometern eine der längsten Flussinseln in Europa.
Der Start vom Kanuverein erfolgte auf der Lesum. Die Lesum ist ein rechter Nebenfluss der Weser auf dem Gebiet der Freien Hansestadt Bremen. Entsteht aus dem Zusammenfluss von Hamme und Wümme. Die Mündung ist in Bremen-Vegesack in die Weser, Länge: 10 km. Nach 28 Kilometern erreichten wir den Campingplatz. Zuvor passierte die Gruppe, immer auf der rechten Seite vom Fahrwasser, ein Werftgelände der Firma Lürssen. Hier werden Luxus Yachten für Scheichs aus Saudi Arabien und auch Marineschiffe gebaut. Der U-Boot Bunker "Valentin" befindet sich bei km28 Nähe der Backboard-Tonne 112. In dem Bunker sollten sollten U-Boote des Typs XXI in Sektionsbauweise gebaut werden. Es handelte sich um das größte Rüstungsprojekt der Kriegsmarine:
Länge 419m, Breite 97m, Höhe 33m Betondeckendicke 7m! (Quelle Google Maps)
Das Bauwerk wurde im zweiten Weltkrieg von 1943 bis März 1945 unter Einsatz von Zwangsarbeitern errichtet, wobei Tausende um Leben kamen. Als der Bunker zu 90% fertig gestellt war, wurden drei Luftangriffe auf ihn geflogen. Am 27. März 1945 flogen Flugzeuge der Royal Air Force mit "Grand Slam" Bomben (eine wog 10 Tonnen) auf den Bunker.
Die sogenannte "Vorfahrt" zur WTR beinhaltete ein gut organisiertes Programm:
| 25.05. Anfahrt von Tura bis zum Harriersand, dort Übernachtung in eignen Zelten, Imbiss auf dem Zeltplatz.
Vortrag "Mit Stöckelschuhen und Spitzenkleid im Paddelboot", 50 Jahre Bremer Paddelsport |
Die Strandhalle auf Harriersand ist in Folge der Corona Zeit geschlossen worden. Der Imbiss im selben Gebäude hatte extra für uns geöffnet. Allerdings war die freundliche Bedienung mit der Bestellung von Fischbrötchen und Currywurst mit Pommes etwas überfordert. Alleine ist ein Ansturm von fast 20 hungrigen Paddlern schwer zu bewältigen. Mit Unterstützung, die schnell herbeigerufen wurde, bekamen Alle ihre Mahlzeit. Bootswagen wurden nicht benötigt, da die schweren Kajaks kaum über den weichen Sand gerollt hätten können. Viel besser ging es mit Tragegurten. Vier Mann/Frau an jeder "Ecke" und in Windeseile waren alle Boote auf dem Zeltplatz.
Christian und ich stellten gleich unsere Zelte in Nähe der Kajaks auf, um die Klamotten nicht hin- und her tragen zu müssen. Brötchen Bestellungen wurden für den nächsten Tag in die Liste eingetragen.
Lustig war das Erreichen des Inneren der Toiletten, denn es gab nur 2 Transponder. Diese hingen an Wilfrieds Zelt. Er meinte nur, es sollte nicht zu lange gewartet werden, denn die Öffnung der Türen würde vielleicht nicht auf Anhieb klappen. Nun konnten wir beobachten, dass Mitpaddler/Innen vor der Tür in gebückter Haltung und zusammen gedrückten Beinen standen. Vielleicht hat nicht jeder die Ruhe den Transponder in der richtigen Stellung zu halten, während es im Unterleib ordentlich drückt.
Ja der Wind blies unermüdlich. Alles was nicht fest war, flog weg. Zwischendurch noch ein Regenschauer machte das Zelt aufstellen nicht einfacher. Nun hatte ich mich für dieses Jahr gut vorbereitet. Das Zelt war neu und auch der Schlafsack. Christian meinte noch in welcher Richtung die Sonne aufgeht, damit das Zelt nicht im Schatten steht. Dies war ein guter Hinweis. Am Morgen konnte ich so, noch im Schlafsack liegend mit geöffneten Zelteingang meine Morgenkaffee genießen. Was für ein herrliches Gefühl. Das Zelt bot den Windschatten und die Sonne schien mir ins Gesicht.
Mit vier Leuten lässt sich auch ein beladenes Kajak besser tragen Erst am Donnerstag Mittag war Hochwasser. Genug Zeit um Sachen packen, Zelt abbauen und in Ruhe zu frühstücken. Genau das machten alle gleichzeitig. Beste Gelegenheit eine Fotoserie zu machen. Auf der Collage sind zu sehen:
Die beiden Fahrtenleiter Wilfried und Uwe mit herausragenden Führungsqualitäten; zwei Faltbootfahrer aus Bremen, die immer guter Laune sind, auch wenn das Paddeln im Faltboot Arbeit ist; Andrea und Andreas mit ihren nagelneuen Booten und dem außergewöhnlichen Klappstuhl; Karin VfL 93 Hamburg und ein Freund und ihre Freundin vom Alstereck Hamburg, die diese Tour sich gemeinsam ausgesucht hatten; ein Paar, das 45 Jahre verheiratet ist und dadurch beim Einpacken und im Zweier ein eingespieltes Team sind; drei Frauen, die sich gefunden haben, um es den Männern mal zu zeigen, dass sie das auch können; ein älteres Ehepaar, bei denen das Frühstück beinahe im Gras enden musste, da dem Tisch ein Bein fehlte; ein Pärchen aus Leipzig, was sehr unternehmungslustig ist und viele Touren mit dem betagten Zweier macht, ein Mann, der auch gern mal Alleine Unternehmungen macht; denn seine nächste Fahrt geht es zu der Potsdamer Schlösserfahrt.
Auf der Fahrt nach Großensiel im Süden von Nordenham machten wir auf der Westseite der Strohhauser Plate. Genug Wassertiefe, selbst bei ablaufenden Wasser hat die 7,5 Kilometer lange "Schweiburg" - ein Nebenarm der Weser. Nach dem Niedrigwasser läuft die Flut in der sich nach Süden hin stark verengenden Schweiburg in Form einer bis zu 50 cm hohen Gezeitenwelle ein. Kaum wieder auf der Hauptwasserstraße passierten wir das Kernkraftwerk Unterweser. Am 18. März 2011 um 3:33 Uhr wurde es als Konsequenz der Nuklearkatastrophe von Fukushima zunächst vorübergehend vom Netz genommen und zwei Monate später im Zuge der Energiewende schließlich endgültig abgeschaltet. Das Ziel des heutigen Tages, der Nordenhamer Sportboothafen-Gemeinschaft e.V. NSG, war erreicht. Dies sollte der Startpunkt für die 30. Weser Tiden Rallye am Samstag sein. Diese findet alle 2 Jahre statt und ist eine der größten Wassersport Veranstaltungen in Norddeutschland.
Sportboothafen WebCam - hier
In der ersten Nacht auf dem Gelände des NSG lagen die Kajaks und standen die Zelte auf dem unteren Teil der Rasenfläche. Irgendwie war es wie ein Wink des Schicksals, dass wir am Freitag Vormittag zu einen Vortrag mit dem Thema "Gezeiten" eingeladen worden sind. Nun waren die Sinne geschärft, um folgendes festzustellen: In der Nacht vom 27. zum 28. Mai wird das Hochwasser ca. 50 cm höher auflaufen, als die MHW! Nachdem die Ersten ihre Zelte auf höhere Ebenen trugen, dauerte es nicht lange, bis alle Zelte dicht an dicht auf den noch freien Flächen standen. Ganz so einfach ging es doch nicht. Bei immer wiederkehrenden Regenschauern mit Böhen bis zu 7 Bft sollten die Heringe sofort eingeschlagen werden.
Karin versucht das Zelt zu bändigen
Am Abend wurde gegrillt und anschließend ein sehr schöner Vortrag mit dem Thema "Mit Stöckelschuh und Krawatte im Paddelboot". Inge Voigt-Köhler zeigte Original-Fotos und erläuterte von den 20er Jahren bis in die 1970er Jahre den Paddelsport in Bremen. Detailliert wurde von Fahrten und Kleidung berichtet. Ich habe eines der wenigen Exemplare des Buches vor Ort erworben.
Dieses Buch zeigt wie aktiv Paddler*innen früher waren
Die letzte Nacht sollte nicht besser sein, als die Nächte zuvor. Regenschauer und starker Wind sind nun mal häufiger das Wetter an der Nordseeküste. Wenigstens keinen nassen Schlafsack. Den Daunen Schlafsack mitzunehmen war eine gute Entscheidung, denn die Temperatur fiel auf 13 Grad tagsüber. Ein kräftiges Frühstück vor der Rallye und die Sonne kam raus. Was plötzlich auf dem Parkplatz los war, ist schwer in Worte zu fassen. Aus allen Himmelsrichtungen reisten Paddler an: Berlin, Wilhelmshaven, Emden, Oldenburg, um nur einige zu nennen. Was dann auf dem Steg sich abspielte kann man sich vorstellen.
Zum Start kam die Sonne raus 330 Paddler/innen wollten alle in ihre Boote. Um 9:30 erfolgte der Start. Geordnet und rücksichtsvoll, wie beim Einsteigen fuhren die Kajaks auf die Weser. Dort erwartete uns ein kräftiger Wind aus Nord West. Rückenwind und die Flut trieben uns vor uns her. Dabei das Boot auf Kurs zu halten bereitete nicht nur mir Schwierigkeiten (neues Kajak), sondern auch den 6 Gekenterten. So steht es im Bericht auf der DKV Seite. Küstenwache, Polizei und DLRG haben für Sicherheit und Rettung gesorgt. Abgrenzung zur Fahrrinne und keinen Einfluss auf den Fährverkehr konnte so gewährleistet werden.
Im Hafen sind keine Wellen - das soll sich gleich ändern
Bis Brake war keine Windabdeckung zu erwarten. Erst als die Weser bei Elsfleth ein Kurve macht, wurde es ruhiger. Dies sollte nicht lange so bleiben, denn wir erreichten das Bremer Hafengebiet. Hier herrschte durch den Schiffsverkehr Kabbelwasser. Die Spundwände erzeugten die unangenehmen Kreuzwellen. Die Kajaks bewegten sich in alle Richtungen - gefühlt gleichzeitig. eines möchte ich unbedingt erwähnen. Gleich am Start verloren Christian, mein Paddelpartner, aus den Augen. Kein Wunder bei so einer großen Anzahl von Booten. Auf der Unterweser ist es nicht gut alleine unterwegs zu sein. Auch wenn Rettungskräfte anwesend sind, fühlten wir und uns beide nicht gut dabei. Ich lies mich zurückfallen, um die Chance zu haben ihn zu finden. Anscheinend sind wir dann doch aneinander vorbei gefahren.
Einiges Wasser ging schon übers Deck Erst nach einiger Zeit entdeckte ich Claas aus Oldenburg, den ich von einer anderen Tour kannte. Und daneben sah ich meinen Paddelbuddy - welch ein Glück. Ich holte die Beiden ein und Christian und ich waren erleichtert. Wir wissen, dass wir uns nie im Stich lassen würden. Falls jemand kentert, würden wir uns helfen. Das ist nicht unbedingt von uns unbekannten Mitpaddlern zu erwarten. Jeder hatte mit den Wind mehr oder weniger zu tun. Dabei noch jemanden zu helfen ist nicht immer möglich, wenn der/die Paddler/in eine Rettung nicht geübt hat.
Endlich etwas Windabdeckung Ein letzter kabbeliger Bereich ist die Mündung der Lesum in die Weser. Genau hier zeigten uns DLRG Motorboote wo wir die Weser zu auf kürzesten Wege kreuzen sollten. Eine Absicherung zum möglichen Schiffsverkehr wurde so gewährleistet. Besser geht nicht - vielen Dank an die vielen ehrenamtlichen Helfer. Zwei Paddlerinnen vom Tura Kanu Sport Verein kreuzten dennoch das Fahrwasser schräg. Ich finde es schade, dass sich trotz Anweisung nicht alle Paddler/innen an die Vorgaben halten. Hier wo das auflaufende Wasser der Flut auf den Mündungsbereich der Lesum trifft hatten wir nicht mit so starker Strömung und Wellen gerechnet. Die Gefahr hier zu kentern ist groß.
Die Schleuse war geschlossen, weil ein Segler aus der Gegenrichtung erst mal herausfahren musste. Dann waren wir dran. erst wenn die grüne Lampe leuchtet, darf eingefahren werden. Festhalten und nicht rumpaddeln ist für jeden Schleusenwärter eine nette Geste. Im Päckchen liegend klappte dies sehr gut.
Immer schön außerhalb vom Fahrwasser bleiben
Am Schlengel (Schimmsteg, wie Paddler sagen) halfen sofort Mitglieder des Vereins die Kajaks aus dem Wasser zu bekommen und auf Bootswagen zu verfrachten. Ca. 4,5 Stunden inkl. Pause und Schleusenzeit ist eine gute Zeit für 44 Kilometer finde ich. Kaffee und Kuchen erwartete uns und sogar der Grill war schon im vollen Gange. Mit einer großzügigen Spende bedankten wir uns für die perfekte Organisation dieser Veranstaltung. Der Aufwand, der damit verbunden ist, kann für eine Teilnehmer nur erahnt werden. Daher habe ich volles Verständnis dafür, dass so ein Event alle zwei Jahre stattfindet.
Am Ziel war die Anstrengung schnell vergessen
Perfektes Timing hatten wir, ohne Einfluss darauf zu haben. Kurz nachdem die Boote aufgeladen und alles Sachen verstaut waren fing es an zu regnen. Denn die ganze Fahrt lang bekamen wir keinen Tropfen ab.
Die Außenweserregion war auch Ziel der Vorfahrten der Bremer Tidenrallyes, die ab 1973 zunächst jährlich stattfanden. Tidenrallye heißt, in einer Tide mit dem auflaufenden Wasser gegen die Richtung Nordsee laufende Weserströmung in mit Muskelkraft getriebenen Booten bis nach Bremen zu gelangen. Diese Außenweser-Region Weserströmung in mit Muskelkraft getriebenen Booten bis nach Bremen zu gelangen. Idee der Tidenrallyes war zum einen, Kanuten aus dem Binnenland die Schönheiten der hiesigen Reviere mit der Unter- und Außenweser war auch Ziel der Vorfahrten der Bremer Tidenrallyes, die ab 1973 zunächst jährlich zu zeigen, und zum anderen die Attraktivität und Vielfalt muskelgetriebener Boote zu präsentieren und zu ver stärken. Nachdem bei der ersten Tidenrallye auf Anhieb 437 Teilnehmende dabei waren, wuchs diese Zahl auf 2.050 Personen beim 10. Mal am 23.05.1982. Wesentlicher Motor dieser Veranstaltungen war Herbert Loseke, aus dessen Kamera die Farbfotos auf den letzten Seiten dieses Buches stammen. Quelle: "Mit Stöckelschuh und Krawatte im Paddelboot"
Quelle: "Mit Stöckelschuh und Krawatte im Paddelboot"
Bericht des Sportwartes vom Bremer Kanu Verein TURA
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