Potsdamer Woche mit TURA -
Einmal um Potsdam mit dem Kajak gefahren
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Die preußische Residenzstadt Potsdam ist eine
von der Havel, Seen und Kanälen eingeschlossene Insel. Erst um ca. 20:00 Uhr fuhr ich zum Campingplatz "Ringelspitze" nach Potsdam. Nachts ist der Verkehr erfahrungsgemäß deutlich weniger als tagsüber. Ungefähr 300 Kilometer sind es von meinem Wohnort am Rande von Hamburg nach Berlin. Von Pinneberg, quer durch Hamburg, ist die schnellste Route, um auf die A24 zu kommen. Diese Autobahn beginnt im Osten von HH. Um Punkt 00:00 Uhr mit einer Pause zwischendurch kam ich auf dem Platz an. An der Rezeption, wie zu erwarten, war niemand mehr da. Einfach in den nächsten Feldweg, ein gerades Stück am Seitenrand suchen und das Bett im VW Bus ausklappen - fertig.
Als ich nächsten Morgen aufwachte schien schon lange die Sonne. Die Rezeption hatte gerade geöffnet. Auf dem Weg dorthin traf ich Ronald, der mit einer Kamera "bewaffnet" dort herumlief. Wir kannten uns von der Wesertidenrally. "Was machst Du denn hier?", war die Frage mit seinem sympathischen, bremischen Dialekt. "Ich wollte mit Euch paddeln". Diesen Tag sollte bei den Turanern (TURA - die Kanuabteilung des Turn und Rasensportvereins ist einer der größten Kanuvereine Bremens) ein Ruhetag sein. Anscheinend nicht bei allen, wie sich nachher herausstellte. Die meisten Teilnehmer der Veranstaltung waren schon ein paar Tage hier und hatten ausreichend Strecke gemacht.
(Ronald in Aktion, Foto aus Video von KajakRalf)
Campingplätze waren noch nie mein Favorit für Übernachtungen mit Zelt oder Bus. Ich fuhr zum Wassersportverein "Pirschheide". Den Hafenmeister Lothar fragte ich gleich, ob ich hier mein Kajak einsetzen dürfe. Dieser Segel- und Motorboothafen ist auch eine DKV-Stadion. Nachdem das Boot abgeladen war, fuhr ich zu dem kleinen Ort "Golm". Dieser befindet sich auf der anderen Seite von Potsdam. Denn Potsdam ist ringsum von Wasser umgeben - keine Umtrage-Stellen, keine Schleusen, einfach perfekt für Kanufahrer.
Mein Plan ist für heute den Süden von Potsdam zu befahren. Ganz herum ist mir zu viel, denn es sind mehr als 40 Kilometer. Rechts vom "Gut Schloss Golm" ist eine Badestelle. Dort möchte ich heute Nachmittag ankommen, also stelle ich den VW-Bus vor der Privatstraße ab und fahre mit der Vespa zurück nach "Pirschheide". Den Bootswagen, Paddel und Verpflegung waren vorher ins Boot gelegt.
Ankunft "Gut Schloss Golm" (Foto KajakRalf)
Ich passierte ich den Campingplatz "Sanssouci", der am auf der rechten Seite am Ufer liegt. Bald darauf querte gerade die Seilfähre von "Caputh". Hier hatte "Einstein" ein Holzhaus, welches er und seine Familie im Sommer nutzten.
Ich erreichte den "Schwielowsee", dieser gehört zum Flusslauf der Mittleren Havel. Bei der Kette von großen Seen kann schnell die Orientierung verloren gehen. Meine Karte hilft mir dabei, mich nicht zu verfahren.
Die Havel erreicht hier den südlichsten Punkt ihres Flusslaufes. Einen Engpass Richtung Norden überspannt die Baumgartenbrücke, auf der die Bundesstraße 1 verläuft. Nach dieser schmalen Stelle verbreitert sich die Havel wieder seenartig, jedoch ohne hier einen eigenen See-Namen zu tragen.
Am Großen Zernsee befindet sich das Gut Schloss Golm, wo sich bereits vor 70 Jahren UFA-Stars von den Dreharbeiten in den Filmstudios von Babelsberg erholten. Einst waren Marlene Dietrich, Marika Rökk und Harry Piel hier zu Gast. Erbaut wurde es zwischen 1912 und 1914 im Auftrag von Niuta von dem Bottlenberg. Die Musikerinnen Cora und Swetlana von dem Bottlenberg betreiben seit Mitte der 1990er Jahre darin ein Hotel.
"In the name of love" und "Komm wir fahren nach Amsterdam" sind bekannte Titel der Gruppe CORA. Mittlerweile ist Cora 71 Jahre alt. Mit Swetlana ist sie weiterhin Geschäftsführerin des Schlosses von Golm. (Quelle Wikipedia) Eine kleine halbrunde Brücke kann von Booten mit wenig Tiefgang und wenig Höhe durchfahren werden - perfekt geeignet für Kanufahrer. Sie verbindet die "Insel Werder" mit "Werder". Rechts von mir fahren zwei Kajakfahrer vor einem Steg. Da ruft der eine Paddler mir zu: "Wie teuer ist Dein Boot?" ich rufe den ihm Kaufpreis zu und das war es dann schon mit der Konversation. Ich habe mir meinen Teil dazu gedacht...
Weiter Richtung Norden, dem "Zernsee" entgegen. Eine junge Frau lächelt mich an, die mit ihrem Hund im Gras am Ufer sitzt. Ich fühle mich gut und sie sich anscheinend auch...
Nach der nächsten Brücke, die von Eisenbahn (Strecke Berlin - Magdeburg) und Fußgängern passiert werden kann, tut sich der "Große Zernsee" vor mir auf. Am Westufer entlang kann ich die Autobahnbrücke schon sehen und bald auch hören - was für ein ohrenbetäubender Lärm. Nach der Brücke wende ich zum Ostufer, welches Naturschutzgebiet ist - so liegt alles nah bei-einander.
Doch bevor ich das Ostufer erreiche, entdecke ich ein ungewöhnliches Wasserfahrzeug - ein U-Boot! Nein, das kann doch nicht sein! Der "Zernsee" und "Schwielowsee" sind weniger als 10 Meter tief. Ich hole das Boot ein und erkenne erst jetzt, dass es sich um ein umgebautes Segelboot handelt. Nachdem ich ein Handzeichen geben habe, gehe ich längsseits. Der Skipper reduziert die Motordrehzahl, so können wir uns kurz unterhalten. Der Ausguck ist aus einem Fass mit zwei Flügeln hergestellt, damit sieht es einem U-Boot vom Weitem täuschend ähnlich.
(U-Boot auf dem "Großen Zernsee", Foto aus Video von KajakRalf)
Der Kapitän sitzt ganz entspannt bei einer Tasse Kaffee am Ruder. Dieses ursprüngliche Segelboot ist um das Doppelte seiner Länge vergrößert worden. Es tuckert ein Einzylinder-Motor vor sich hin. Schnell ist er damit nicht gerade, wenn ich ihn sogar einholen konnte. Die graue Farbe, wie sie auch bei Marineschiffen verwendet wird, macht die Sache perfekt. Wir wünschen uns eine gute Weiterfahrt und das "U-Boot" dreht ab. Eine verrückte Idee, so etwas zu bauen, oder? Was wohl seine Vereinskollegen vom Yachtclub über ihn sagen...Am Naturschutzgebiet, mit 50 m Abstand, steuere ich Richtung der Einfahrt zum "Wublitz" zu. Dort sind viele weiße Punkte vor dem Ufer zu erkennen. Dort muss ich wohl meinen Abstand zum Ufer ebenso berücksichtigen. Es sind keine Bojen, wie sie im NSG üblich sind, sondern Schwäne. So viele an einem Ufer habe ich noch nie gesehen. Ebenso wie die Schwäne sind hier Kormorane zu sehen. Sich auf den Pfählen eines verfallenen Steges aufzuhalten, ist ihr bevorzugter Platz.
(Kormorane stehen gern auf Pfählen, Foto KajakRalf)
Am Badestrand von "Golm" angekommen, noch schnell die Bordwände abgeschrubbt und den Bootswagen untergeschnallt. Ein paar hundert Meter zum Auto geschoben, aufgeladen und zurück nach Pirschheide.
Michael, der Vertretungs-Hafenmeister, saß mit Vereinskollegen am Tisch vor dem Büro-Container und saß beim Bier. Zum Abschluss haben wir den Abend gemeinsam mit Bockwurst mit Brot ausklingen lassen.
Am nächsten Morgen, ich hatte sehr gut im Bus geschlafen, ging es nach dem Kaffee den Wanderweg am Templiner See entlang zum Campingplatz Sanssouci. Dieser Wanderweg ist ein Teil des Europäischen Fernwanderweges 10/11 und ebenfalls einer der vielen Jakobswege in Deutschland - ein sehr schöner Platz zum Campen. Selbst am Ende der Saison ist dieser noch gut besucht. Direkt am Ufer sind Dauercamper, die einen kleinen Garten mit Zwergen davor eingerichtet haben. Der einzige Platz für Tagesgäste, direkt am Ufer, wurde "königlicher Platz" genannt. Fahrradfahrer hatten hier ein paar Zelte aufgestellt - wahrscheinlich auf der Durchreise.
Camping Sanssourci (Foto KajakRalf)
An diesem Tag wollte die Gruppe von Tura Richtung Potsdam zur Innenstadt paddeln. Vom Campingplatz "Ringelspitze" zum WS-Pirschheide sind es ein paar Kilometer. Ich startete ungefähr zeitgleich mit der Gruppe und paddelte ihnen erst einmal entgegen. Gleich hinter der Eisenbahnbrücke traf ich Doris und Ronald wieder - diesmal im Kajak. Während des Paddelns lässt es sich sehr gut unterhalten und die Kilometer fliegen dahin. Bereits hinter "Hermannswerder" sollte ihre Tour enden - das war mir eindeutig zu wenig für diesen Paddeltag.
("Flatowturm" auf dem "Babelsberg", Foto KajakRalf)
Ulrike (WS-Bederkesa) und Markus wollten auch weiter die Havel Richtung Berlin paddeln. Dank der "Neue Fahrt" unter der "Humboldt Brücke" kam ich direkt zum "Tiefer See".
Hier ist der Tourismus nun wirklich zu sehen, mehrere große Ausflugsdampfer (75 m lang) warteten hier am linken Ufer auf Gäste. Wir Drei hielten uns lieber auf der rechten Seite auf, wo das "kleine Schloss" in Sicht kam - es gehört zum Park von "Babelsberg".
Die "Glienicker Brücke" ist ein Wahrzeichen von Potsdam. Diese aus drei Feldern bestehende, Eisenfachbrücke ist aus dem Jahr 1907. Quer über die Brückenmitte verläuft die Landesgrenze zwischen Brandenburg und Berlin bzw. die Stadtgrenze zu Potsdam. Während der Zeit der Deutschen Teilung erlangte die Glienicker Brücke weltweite Bekanntheit durch den am 11. Februar 1986 spektakulär inszenierten dritten und letzten Agentenaustausch. (Quelle Wikipedia)
Der schmale, L-förmige "Griebnitzsee" erstreckt sich in einer Länge von 3 Kilometern, in welchen wir vor der gleichnamigen Brücke einbiegen. Nun können wir uns entscheiden, ob wir in den "Prinz-Friedrich-Leopold-Kanal" nach links oder rechts zum "Teltowkanal" fahren (Ecke Fähre "Kohlhasenbrück" - merkwürdige Namen haben sich die Potsdamer einfallen lassen...). Wir entscheiden uns für das Letztere, aber nur, weil ich ein Restaurant mit Anlegemöglichkeit für Kanus entdeckte. Kaffee und Kuchen nach 14 Kilometern tun uns gut, besonders der Kirschkuchen mit Sahne ist dort sehr lecker. Wir fahren zurück, da uns der Umweg über den "Großen Wannsee" zu weit wird. Auf dem Rückweg fahren wir durch die "Alte Fahrt", vorbei an der Nikolai-Kirche und dem Potsdam Museum.
(Foto KajakRalf)
Der letzte Tag meiner Potsdam-Erkundung vom Wasser aus, soll es noch einmal in sich haben. Der Wind hatte schon am Vortag aufgefrischt und blies nun ordentlich aus Nord-West. Da ich ungern meine geplante Fahrt gegen den Wind machen will, fuhr ich wieder zum "Schloss Golm". Dort Kajak abladen, mit dem Bus zurück, aber diesmal zum "Restaurant Söhnel" vom Vortag. Mit der Vespa ging es wieder zum Kajak, einsetzen und los, aber diesmal in die andere Richtung - nördlich um Potsdam herum, in den "Wüblitzsee" (dieser mündet in den "Schlänitzsee").
(Von Ost nach West ist es durch den Kanal kürzer, Quelle Wikipedia)
Der See wird vom "Sacrow-Paretzer-Kanal" durchkreuzt. Ein kräftiger Rückenwind treibt mein Kajak voran und das Landschaftsbild ändert sich. Vorher im Naturschutzgebiet war es, bis auf den entfernten Lärm der Autobahn, sehr ruhig und idyllisch. Nun kommen mir verschiedene Wasserfahrzeuge entgegen oder überholen mich. Sportboote und Binnenschiffe wechseln sich hier ab. Diese Bundeswasserstraße ist eine Abkürzung von Berlin zur Elbe. Hiermit wurden schon früher die schwierigen Brücken-Durchfahrten in Potsdam umgangen.
(Strand bei Neu Fahrland, Foto KajakRalf)
Bevor ich in den "Weißen See" einfuhr, entdeckte ich einen Sandstrand - beste Gelegenheit für eine Kaffeepause. Kocher, Wasser, Bialetti und natürlich Kaffee, alles im Boot parat. Sogar einen Stuhl hatte jemand dort hinterlassen - perfekt!
Nach dem "großen Horn" folgt der "Jungfernsee", hier sind Ausflugsdampfer wieder allgegenwärtig. Nach links möchte ich an der Pfaueninsel vorbeifahren, doch zum Queren des Fahrwassers muss ich einen Moment warten, da ein Binnenschiff Vorfahrt hatte. Beim Warten entdecke ich unverhofft eine Gruppe Paddler, die am Ufer Pause machen. Direkt vor der "Heilandskirche" ist ein schmaler Sandstrand - die Gelegenheit ergreife ich, um Kontakt aufzunehmen. Der Kollege mit dem "RockPool-Kajak" meinte, dass der Verein "RdE-Hamburg" ihm bekannt sei und einige Leute dort kenne. Na, die Welt ist so klein, da es in Deutschland ca. 1.300 Vereine gibt - allein in Berlin 55.
(Die Heilands-Kirche mit Strand zum Anlanden, Foto KajakRalf) in italienischem Stil mit freistehendem Glockenturm (Campanile). Die Lage (Port von Sacrow) und der Stil stellt eine außergewöhnliche Kirche dar,
die 1844 errichtet wurde. (Quelle Wikipedia)
Die Bebauung und die Geschichte der Pfaueninsel ist ebenfalls etwas einmaliges. Ein Schloss, das Kavalierhaus, eine Meierei und das Palmenhaus sind heute die Highlights. Früher, Anfang des 18. Jahrhunderts, beherbergte die Insel einen Zoo mit exotischen Tieren wie Lamas, Affen, Löwen, Braunbären, Büffel und viele verschiedene Vogelarten. Friedrich Wilhelm II war maßgeblich der Schöpfer dieses Zoos. Die meisten der 847 Tiere wurden 1844 dem gerade neu gegründeten Berliner Zoo übergeben.
Das Innere des Palmenhauses (Quelle Wikipedia)
Meine Fahrtrichtung ändert sich nun um 180 Grad zum "Großen Wannsee". Vom Weitem sind die Gebäude vom Strandbad Wannsee zu sehen. Der denkmalgeschützte Gebäudekomplex mit einer Länge von 540 Metern wurde von 1929 bis 1930 als "Weltstadtbad" gebaut, um den Berlinern die "Sommerfrische" zu bieten. Mit dem Lied "Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein und dann nischt wie raus nach Wannsee" ist von Cornelia Froboess 1951 bekannt geworden.
(Im Hintergrund ist das Strandbad Wannsee zu sehen, Foto KajakRalf)
Ein Segler hält genau auf mich zu, er ist eigentlich noch weit genug entfernt für eine Kurskorrektur. Ich weiche nach Steuerboard aus und der Segler auch - keine Gefahr. Im Vorbeifahren winkt er mir freundlich zu, "Bestes Wetter ist heute!" ruft er mir zu und ich stimme ihm zu.
Nach dem "Großen Wannsee" folgt nach Unterquerung der "Königstraße", der "Kleine Wannsee". Links sind mehrere Rudervereine angesiedelt, bei denen reges Treiben herrscht. "Pohlesee" und "Stölpchensee" schließen sich der Reihe nach an. Durch den "Prinz-Friedrich-Leopold-Kanal" erreiche ich nach knapp 30 Kilometern mein Ziel, das Söhnel Restaurant. Die Slipanlage ist perfekt, um mein Kajak von den Spuren der Fahrt zu reinigen. Das Aufladen des Kajaks und die Vespa in Golm einsammeln, sind schon zur Routine geworden.
(Sonne und Schatten am Abend der Abreise, Foto KajakRalf)
Ein wunderschöner Tag neigt sich dem Ende zu und das Wetter zeigt sich noch einmal von seiner besten Seite - die tiefstehende Sonne scheint mir ins Gesicht. Der Wetterbericht hat für die nächsten Tage Regen angesagt, so sehe ich schon auf der Autobahn eine dunkle Wolkenwand am Horizont. Mehr als drei Stunden Autofahrt erwarten mich und die Scheibenwischer müssen sich fast die ganze Zeit bewegen. Mein Bewegungsbedarf ist vorerst erschöpft und ich erreiche nun glücklich und zufrieden mein zu Hause in dem kleinen Ort bei Pinneberg.
Welch eine schöne Stadt ist Potsdam ist! Die Umgebung hat viel mehr zu bieten, als ich eigentlich gesehen habe. Es waren kurze 3 Tage, die niemals gereicht hätten, um das Flair dieser Stadt zu erleben. Nächstes Mal nehme ich mir mehr Zeit und das Fahrrad mit - ganz bestimmt.
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