Falsch abgebogen in Ihlienworth - Sietländer Frühlingsfahrt

Vorweg ein paar Worte zu dieser Landschaft südlich von Cuxhaven:

Das "nasse Dreieck" zwischen Hamburg, Cuxhaven und Bremen kannte ich nur in Teilen sowie die Oste bei Bremervörde, den Hadelner Kanal von früher, als ich mit meinen Eltern mit dem Sportboot von Hamburg nach Leer gefahren bin. 

Diese Flüsse, bzw. Kanäle, münden in die Elbe, in die Geeste und in die Weser. Das Wasser aus diesem tiefliegenden Gebiet konnte damals nicht richtig abfließen - es hat Jahrhunderte gedauert, bis der Kanal gebaut und die Moore trocken gelegt werden konnten und erst dann war es möglich, die Flächen landwirtschaftlich zu nutzen. Einen wesentlichen Anteil zur Entwässerung dieses Gebietes trägt der heutige Hadelner Kanal. Das Land liegt auf Meeresspiegelniveau, weshalb Pumpwerke die einzige Lösung waren, um die enormen Wassermassen loszuwerden. So ist das Land von Gräben durchzogen, ähnlich wie in Ostfriesland.

Die Gräben rund um Ihlienworth sind mit Nummern gekennzeichnet
SIET bedeutet Niedrig auf Plattdeutsch
Das Sietland ist der tiefer als das Tidehochwasser gelegene Teil der Marsch 
zwischen Küste bzw. Flussufer und Geestrand.
Das Sietland ist heute, meist durch Eindeichung und Entwässerung, urbar gemacht worden. Das eingedeichte Sietland sackt durch die Entwässerung im Laufe der Zeit noch weiter ab, sodass der Boden heute teilweise auch unter dem Meeresspiegel liegen kann.
(Quelle Wikipedia)

Erst nach Aufstellung eines verbesserten Entwurfs im Jahr 1922, kam es ca. 7 Jahre später endlich zum Bau eines Stufenschöpfwerkes in Ihlienworth und eines Mündungsschöpfwerkes in Otterndorf. Der Bau dieser Anlagen brachte dem Sietland den großen Vorteil, dass die Zeiten der Überschwemmungen vorbei waren. 

Am Freitag Mittag luden wir die Boote in Prisdorf bei Pinneberg auf meinen VW-Bus. Zu diesem Zeitpunkt löste sich der Stau am Elbtunnel nach einer Vollsperrung langsam auf. Schwer einzuschätzen, wie lang der Stau noch sein würde. Kurzum, wir entschieden uns für die Fähre Glückstadt- Wischhafen - 2 Stunden Wartezeit! Die Zeit verging wie im Flug. Brötchen geschmiert, Musik gehört und viel erzählt. Zu Zweit ist so eine Fahrt viel besser.

In Ihlienworth am Sportplatz herrschte bereits reges Treiben. Rolf war noch dabei eine Lampe im Bootshaus anzuschließen. Im Clubraum stand heißer Kaffee und selbst gebackener Kuchen auf dem Tisch. Richtig gemütlich wurde es, als wieder ein Regenschauer nieder ging.
Schöpfwerk Ihlienworth (www)
Samstag starteten vom Bootshaus über die kleine Schleuse am Schöpfwerk der Medem und kamen ohne Strömung bis nach Otterndorf. Auf dem Weg von ca. 17 km mussten wir kurz vor dem Sperrwerk der Medem aussteigen. Auf der rechten Seite befindet sich eine Slipbahn des Segelvereins. Diese durften wir benutzen, wurde uns schon vor Fahrtbeginn mitgeteilt. Eine andere Möglichkeit soll sich nach Information der Stadt Otterndorf auf der linken Seite befinden: Anleger Schleuse Otterndorf

Nach 500 Metern mit dem Bootswagen hatten wir die Schleuse vom Schifffahrtsweg Elbe-Weser (Kanalseite) erreicht. Hier gibt es einen Durchstich von der Medem zum Hadelner Kanal, doch dieser ist nicht befahrbar. 

Der Hadelner Kanal ist ein Teil des Elbe-Weser-Schifffahrtswegs, bei welchem es sich um einen Kanal zwischen der Elbe bei Otterndorf und der Geeste, die in die Weser mündet, handelt. Die Fertigstellung des Hadelner Kanals war im Jahr 1854, bei welcher 1.150 Arbeiter eine Million Kubikmeter Erde bewegten. Es entstand ein 31,7 Kilometer langer Kanal mit einer Sohlbreite von 14 Metern. 
1859 wurde der Geeste-Weser-Kanal eröffnet, sodass eine wichtige Binnenverbindung für den Frachtverkehr zwischen Elbe und Weser entstand. 
Er dient heute, neben der Entwässerung, vor allem kleinen Kümos (Küstenmotorschiffe) und Sportbooten als Abkürzung zwischen der Weser und der Elbe.

Die einzige Alternative ist ein gut doppelt so langen Törn „außen rum“ via Cuxhaven. Gerade zu Saisonbeginn, wenn viele Eigner von der Weser ihre Boote durch den NOK in die Ostsee überführen, ist die Strecke eine beliebte Abkürzung, die jedoch in den vergangenen Jahren aufgrund des Schleusen-Neubaus 3 Jahre nicht in Frage kam. Die Otterndorfer Schleuse wurde 1854 als Tunnelgewölbe mit einem Stemmtorpaar in die Deichlinie gebaut. In 2019 wurde mit dem Neubau der Schleuse begonnen.

Die 70 Meter lange Schleuse Baujahr 2022 in Otterndorf verbindet den Hadelner Kanal mit der Elbe. Schleuse ist wichtig für den Küstenschutz

An den Schlengeln des Otterndorfer Segelclubs ging es auf den Hadelner Kanal. 

Direkt am Segelverein liegen kleine Hausboote, die man mieten kann. Super nette Mitarbeiter waren gerade am Putzen der Persenning: https://www.noboatgermany.de/
Zweimal Umtragen und über das "Große Sietländer Wettern" ging es nur noch 4km  Bootshaus  des TSV Ihlienworth zurück. Hier wurde vor Kurzem in neue Steganlagen investiert. So ist das Umsetzen der Boote einfach. Nach insgesamt 34 km war mein Paddelbedarf für diesen Tag gedeckt.

Sonntag, um ca. 9:00 Uhr starteten Susanne und ich in die gleiche Richtung der Medem, wie tags zuvor. Diesmal nicht durch die Schleuse nach Norden, sondern weiter durch den Ort Ihlienworth. Dieser ist von Kanälen durchzogen. Irgendwie verließ mich meine Orientierung dabei völlig. Susanne ging es genauso. Ursprünglich wollten wir die Emmelke befahren. Nur wie kommt man dahin? Mehrmals waren wir falsch abgebogen. Selbst der "Jübermann" (Gewässerkarte Norddeutschland) brachte uns nicht weiter. 
Google Maps zeigte uns zwar unsere Position, doch die konnten wir nicht in der Karte eindeutig finden. 
Drei Paddler vom Ortsansässigen Verein kamen uns entgegen. Genau an der Stelle - wir waren bereits zurück gefahren - ist eine Umtrage-Möglichkeit in das Flüsschen  Emmelke - was für ein Zufall!
Der Schlengel (Schwimmsteg unter Paddlern genannt) ist so kippelig, dass beim Aussteigen die Vorderkante unter Wasser ging. Mein Boot trieb durch den Wind weg und so stieg Susanne wieder in ihr Kajak  um Meines wieder zu holen. Als wir nun endlich beide Boote an Land hatten, sah ich, dass meine Kamera die ganze Zeit lief. So bleibt eine lustige Erinnerung erhalten. 
Die Emmelke ist in ersten Hälfte als Kanal begradigt worden. Trotzdem ist es schön hier zu paddeln. Der Baum, der quer über das Gewässer gefallen war, machte uns weniger Schwierigkeiten, als erwartet. Den Oberkörper nach vorne beugen, um unterdurch zu kommen reichte nicht. Ich legte meinen gesamten Rücken flach auf das Achterdeck und so ging es. Nur den Kopf noch etwas zur Seite drehen, damit die Nasenspitze nicht an  der Rinde hängen bleibt. 

Wieder am Bootshaus angekommen, traute ich meinen Augen nicht. Auf mehreren an einander gereihten Tischen standen mindestens 20 Kuchen und Torten. Mit Leidenschaft probierte ich die leckersten Stücke, denn ich esse Kuchen für mein Leben gern. Doch was zu viel ist, ist zu viel. Gerade noch rechtzeitig hörte ich auf zu essen, sonst wäre es meinem Magen nicht gut bekommen. Der Ruf dieses Kuchenbüfetts war schon voraus gegangen. In Bederkesa meinten die Kanuten, dass dies einmalig ist und so war es auch! Vielen Dank für die fleißigen Frauen von der Kanugruppe Ihlienworth. Manchmal träume ich von diesem schönen Ereignis. 



Kirche in Ihlienworth (Foto von Ralf selbst) 
In Hochwasserzeiten stand in Ihlienworth, mit Ausnahme des höher gelegenen Ortskerns des „Kirchdorfes“, die ganze Feldmark unter Wasser. Wenn die unbefestigten „Kleiwege“ unpassierbar waren, spielte sich dann der gesamte private und gewerbliche Verkehr auf dem Wasser ab. Den Einwohnern aller Ortsteile war es in diesen Zeiten möglich, mit dem großen „Sietlänner Schipp“ oder den kleineren „Flöten“ auf einem der zahlreichen Wasserläufe ins „Kirchdorf“ zu gelangen. Einzelne Einwohner, die nicht direkt an einem Wasserlauf wohnten, unterhielten einen sogenannten Schiffsgraben, der in eines der größeren Gewässer mündete. Neben den Wasserläufen, die dem Verkehr und der Entwässerung dienten, gab es sogenannte Totengräben, die direkt zum Friedhof führten.

Die neben der Totentreppe liegende Kaimauer wurde nach 1877 aus den Felsblöcken der Kirchenmauer hergestellt.
Ihren ungewöhnlichen Namen erhielt die Totentreppe vor langer Zeit. Damals war der Wasserweg oftmals auch die einzige Möglichkeit, Särge bei Beerdigungen zur Kirche zu transportieren. Die Trauerzüge, die über die Totengräben in den Ortskern gelangten, legten dann an dieser Steintreppe an. Die Särge wurden aus dem Kahn zum Friedhof hinaufgetragen und anschließend ging hier auch das Trauergefolge an Land. Ebenso gelangten Hochzeitsgesellschaften auf dem Wasserweg zur Kirche.


YouTube Kanal: KAJAKRALF zeigt unsere Tour, die wir nicht so schnell wieder vergessen werden.

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